Ablauf einer Standlinienbestimmung mit Hilfe der HO249:

Es hat sich bewährt, den Rechenablauf für die Auswertung einer astronomischen Standlinie zu schematisieren.
Ein solches Schema erstellt sich der (Astro-)Navigator gerne selbst, denn das was man selbst gemacht hat, versteht man auch.
Meinen Entwurf eines solchen Schemas, bereits ausgefüllt mit den Werten dieses Beispiels, finden Sie hier.
Ich schlage vor, daß Sie dieses Beispiel-Schema ausdrucken und die einzelnen Schritte der nachfolgend gezeigten Rechnung auf diesem Blatt nachempfinden.

Die Situation:
Die Segelyacht "Dido" befindet sich am 20. Juli 2016 am Nachmittag (Bordzeit) auf dem Weg von der Karibik zu den Azoren auf dem durch Koppeln ermittelten (gegissten) Ort 28° 36,8' N und 59° 42,2' W. Gesteuert werden 35° und die Fahrt beträgt 6 kn
Exakt um 17 Uhr 11 min 23 sec wird die Sonne "geschossen", der am Sextant abgelesene Höhenwinkel h'b für den Unterrand der Sonne beträgt 20° 24'.

Damit haben wir nun (fast) alle Eingangswerte für unser Rechenschema beisammen, nur zum Meßzeitpunkt müssen wir uns noch ein paar Gedanken machen :
Alle Zeitangaben des nautischen Jahrbuches, welches wir gleich benötigen werden, beruhen auf dem Zeitschema "UT1", welches grob gesprochen der früher üblichen "mittleren Greenwichzeit GMZ", der Ortszeit von Greenwich entspricht. ( Wer genaueres zur UT1 wissen will findet Informationen dazu in der WIKIPEDIA.)
Wir brauchen zur Umrechnung unseres Meßzeitpunktes in UT1 die Zeitdifferenz zwischen dieser und unserer Bordzeit, die üblicherweise jene Zeitzone ist, in welcher sich unser Schiff gerade befindet.
Deshalb, kurz mal nachgedacht :
Die Sonne braucht zur Umrundung der 360 Längengrade unserer Erde 24 Stunden, für 15° also eine Stunde. Dido befindet sich auf fast 60° westlicher Länge, die Zeitdifferenz der Bordzeit zu Greenwich bzw. der UT1 beträgt damit +4 Stunden. Das Vorzeichen ist "+" weil die Sonne westwärts wandert, die Zeit in Greenwich also der Bordzeit 4 Stunden voraus ist. ( Wären wir auf 60° Ost, müssten wir, um UT1 zu erhalten, diese 4 Stunden vom Meßzeitpunkt subtrahieren !)
Achtung !
Die Addition bzw. Subtraktion kann mehr als 24 Stunden ergeben oder zu negativen Werten führen.
Bei mehr als 24 Stunden ziehen sie vom Ergebnis 24 Stunden ab. Da in Greenwich dann bereits ein neuer Tag begonnen hat fügen wir dem Datum einen Tag hinzu.
Bei negativer Stundenzahl fügen sie 24 Stunden zu. Da dann in Greenwich noch der vorhergehende Tag ist, ziehen sie vom Datum einen Tag ab.
Mit den so korrigierten Zeit- und Datumswerten gehen sie dann ins nautische Jahrbuch.


Bevor es jetzt in unser Rechenschema geht, noch eine Erklärung zu diesem :
Ich habe (nur in diesem Beispielschema) die Spalten mit Buchstaben, die Zeilen mit Zahlen bezeichnet. Auf diese Bezeichnungen werde ich im Folgenden Bezug nehmen.
Außerdem habe ich einige Felder zur besseren Orientierung farblich markiert :

1.) Eintragen der Basiswerte in das Rechenschema :

Zeitangaben :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A/B-1 Datum20.7.2016
A/B-2 Messzeit bei Bordzeit 17h 11' 23''
A/B-3 Differenz zu UTC+ 4 Stunden

Der gegisste Ort :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A-9 geg.Länge 59° 42,2' W
C-10 geg.Breite 28° 36,8' N

Der Messwert am Sextanten :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
G-6 h'b 20° 24'

Kurs und Fahrt
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
E-2 Kurs 35°
E-3Fahrt 6 kn
Kurs und Fahrt werden nur notiert, um die gewonnene Standlinie ggf. mit anderen später gewonnenen Standlinien zu versegeln.

Alle benötigten Eingangswerte sind damit im Rechenschema vorhanden; beginnen wir mit deren Auswertung !
Die Begriffe GHA (bzw. Grt), LHA und Declination δ wurden bereits auf den Seiten "GHA & LHA" bzw. auf der Seite "Nordstern- und Mittagsbreite" erklärt, so daß ich diese im Folgenden als bekannt voraussetze.


1.) Umrechnung der Bordzeit in UT1 :
Wir addieren die Stundenwerte aus den Feldern A/B-2 und A/B-3; das Ergebnis wird notiert in
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A/B-4 Messzeit bei UTC 21h 11' 23''


2.) Ermittlung der Koordinaten des Sonnenstandes zum Meßzeitpunkt :
Das nautische Jahrbuch (NJ) enthält für jeden Tag des Jahres eine eigene Seite, auf der man für jede volle Stunden die Koordinaten der Sonne, des Mondes, einiger Planeten und des Frühlingspunktes findet. Wir interessieren uns hier nur für die Sonne. Die auf der Seite für den 20.Juli 2016 in der Zeile für 21 Uhr (in UT1 !) gefundenen Werte und dazu noch den Wert für Unt aus dem Fuß der Rubrik "Sonne" tragen wir in das Rechenschema wie folgt ein :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A-6 volle Std. GHA133° 24,2'
C-6 δ 20° 26,9' Nord
C-5 Unt. 0,5'

Da wir die Koordinaten für den Meßzeitpunkt benötigen, müssen die im NJ gefundenen Daten für 21 Uhr noch um die Änderung in den folgenden 11 Minuten und 23 Sekunden berichtigt werden.
Den "Zuwachs" des GHA ermitteln wir mit Hilfe der "grünen Seiten" des nautischen Jahrbuches die so heißen, weil sie auf grünem Papier gedruckt werden. Wenn auch nicht in "grün" finden sie die Seite für den Zuwachs bei 10 und bei 11 Minuten hier. In der rechten Seitenhälfte sind die Werte für den Zuwachs für jede Sekunde der 11. Minute notiert; für unseren Meßzeitpunkt finden wir neben der Zeitangabe 23 sec in der Spalte "Sonne" den Wert von 2° 50,8'. Um diesen Zuwachs hat sich der GHA in den 11 Minuten und 23 Sekunden seit der letzten vollen Stunde erhöht. Wir notieren :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A-7 +Zuwachs 2° 50,8'
Die Declination δ ändert sich zwar nur ganz geringfügig, wird aber ggf wie folgt berücksichtigt :
In der 11min-Hälfte unserer Schalttafel finden wir ganz rechts die beiden Spalten Unt und Vb. Wir suchen den Wert für unseren Unt (0,5'), finden aber hier nur die Werte 0,3' und 0,6'. Für beide Werte wird daneben die Vb mit 0,1' angegeben; der Wert der Vb für 0,5' wird dann wohl auch 0,1' betragen.
Achtung ! Der Wert für "Vb" kann sowohl positiv als auch negativ sein ! Was also nun ? Hier hilft eine einfache Überlegung. Im Zeitraum vom 21. Dezember bis zum 21. Juni (genauer von der Winter- bis zur Sommersonnenwende) nimmt die Declination des Sonnenbildpunktes permanent zu, weil die Sonne langsam aber stetig immer weiter nördlich wandert, auch während unserer 11 Minuten und 23 Sekunden. Damit wird der Wert für Vb positiv. Dido ist aber in unserem Beispiel im Juli unterwegs; da ist die Sonne (bzw. der Bildpunkt) schon wieder südwärts unterwegs, womit unser Vorzeichen für Vb negativ wird.
Achtung ! Sollten Sie einmal auf der Südhalbkugel unserer Erde navigieren, dürfen Sie bitte nicht vergessen, diese Verhältnisse umzukehren ! Vb wird dort im Zeitraum vom 21.12 bis zum 21.6. negativ und vom 21.6. bis zum 21.12 positiv !!!


Nachdem das geklärt ist, tragen wir ein :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
C-7 +/-Verb. f. Unt - 0,1'

GHA und δ für unseren genauen Meßzeitpunkt ermitteln wir nun ganz einfach, indem wir zu den Werten für 21 Uhr die bereits ermittelten Korrekturen vorzeichenrichtig addieren.
Den GHA durch Addition von Feld A-6 und A-7 (133°24,2' + 2°50,8' = 136°15,0')
Die Declination δ durch Addition von Feld C-6 und C-7 (20° 26,9' N - 0,1' = 20° 26,8' N).
Beide Werte tragen wir ins Rechenschema ein :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A-8 = GHA 136° 15,0'
C-7 Declination δ 20° 26,8'
Achtung ! beim Rechnen mit Winkeln, die in Grad und Minuten angegeben sind, müssen sie beachten, daß die Minutenwerte maximal 59,9' betragen können.
Ergibt ihre Rechnung Werte von 60 oder mehr Minuten, ziehen sie davon 60 Minuten ab und addieren sie dafür bei den Gradwerten ein Grad dazu.
Ergibt die Rechnung einen negativen Minutenwert, addieren sie dazu 60 Minuten und subtrahieren sie dafür bei den Gradwerten ein Grad.
Die Gradzahlen können nur im Bereich 0 bis 360° liegen. Errechnen sie Gradzahlen größer 360°, so ziehen Sie vom errechneten Wert einfach 360° ab. Errechnen sie negative Gradzahlen, so addieren zum errechneten Wert einfach 360° hinzu.


3.) Ermittlung des LHA
Der LHA ist, wie wir wissen, die Summe aus GHA und der gegissten Länge, wobei östliche gegisste Längen ein positives, westliche ein negatives Vorzeichen haben.
Wir addieren also lediglich die Werte aus A-8 dem GHA mit 136° 15' und A-9 der geg.Länge) mit -59° 42' und notieren das Ergebnis in
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A-10 = LHA 76° 32,8'

4.) Rundungen zur Nutzung der Tafel HO249
Die Tafel HO249 erspart dem Navigator die komplizierten Berechnungen mit der früher üblichen Semiversus-Formel. Sie liefert die notwendigen Informationen zur einfachen Ermittlung der Gestirnshöhe (in unserem Fall der Sonne) an einem vorgegebenen Ort. Dieser Ort muß jedoch 2 Bedingungen erfüllen :
Ohne diese Einschränkung hätte die Tafel einen nicht mehr handhabbaren Umfang.
Da unser gegisster Ort ohnehin nur ein geschätzter Ort ist, können wir ihn so verschieben, daß er den vorstehenden Bedingungen genügt. Wir runden also den LHA und die gegisste Breite auf oder ab, je nachdem welcher Wert näher liegt. In das Rechenschema kommen damit folgende Werte :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A-11 = LHA ganzgradig 77°
C-11 = geg.Breite ganzgr.(LAT) 29°

5. Der Rechenort
Aus der vorhergehenden Seite "Das Höhenverfahren - Grundlagen" wissen wir bereits, daß unsere Standlinienbestimmung auf einen Vergleich der errechneten Höhe mit der am Sextant gemessenen Höhe hinausläuft und daß diese Differenz in der Seekarte vom Vergleichsort aus eingetragen wird. Vergleichsort ist aber der Rechenort, der den Bedingungen aus 4.) genügt.
Der LHA gibt den Längenunterschied zwischen Sonnen-Bildpunkt und gegisstem Schiffsort an. Wir müssen also die Länge des Rechenortes passend zu dem nun ganzgradigen LHA neu ermitteln. Dies geschieht im Rechenschema entweder in den Feldern A-12, A-13 und A-14 oder C-12, C-13 und C-14.
Bei westlichen Schiffsstandorten gilt LHA = GHA - Länge Rechenort und damit
Länge Rechenort = GHA - LHA ganzgradig;
wir nutzen also die Felder für westliche Schiffslängen und tragen ein :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
A-12 GHA 136° 15,0'
C-13 - LHA ganzgradig 77°
C-14 = Länge Rechenort(W) 59° 15'

Bei östlichen Schiffsstandorten gälte LHA = GHA + Länge Rechenort und damit
Länge Rechenort = LHA ganzgradig - GHA;
einzutragen wäre dies in den Feldern C-12, C-13 und C-14.

6.) SAME oder CONTRARY ?
Um die richtigen Werte in der HO zu finden ist es WICHTIG zu berücksichtigen, ob Bildpunktbreite und Breite des Rechenortes auf der gleichen Seite des Äquators oder einer auf der Nord- und einer auf der Südhalbkugel liegt.
Die entsprechenden Angaben haben wir im Rechenblatt in den Feldern C-8 und C-10 bereits vorliegen. Liegen sowohl die Declination als auch die geg. Breite beide auf N oder S, kreuzen wir in Spalte D "same" an. Sind die Werte unterschiedlich kreuzen wir "contrary" an.
In unseren gemäßigt nördlichen Breiten haben wir im Sommerhalbjahr ( grob vom 21.3. bis 21.9. ) immer "same" im Winterhalbjahr immer "contrary"

7.) Die Tafel "HO249"
Wir haben nun alle benötigten Werte, um mit Hilfe der HO-Tafeln unsere berechnete Höhe zu bestimmen. Dies sind : und das ist auch die Reihenfolge der Kriterien, nach denen wir gleich die HO249 durchsuchen.

Vorher noch rasch eine Bemerkung zum Umfang der HO249, Band 2 und 3:
In der Tafel sind alle Höhen für Schiffsorte zwischen 89° Nord und 89° Süd für die Gestirne vorgerechnet, die ihre Bahn zwischen dem 29 Breitengrad Süd und dem 29 Breitengrad Nord ziehen. Das ist bei allen Gestirnen, Sonne, Mond und Planeten, die im Nautischen Jahrbuch aufgeführt werden, der Fall.
Wie schon erwähnt, müssen diese Schiffsorte den bereits genannten Bedingungen, nämlich ganzgradiger Breite und ganzgradigem LHA des Rechenortes, genügen.


Die HO-Tafeln bestehen aus 3 Bänden. Band 1, die "selected Stars" benötigen wir für die Navigation mit der Sonne nicht. Interessant sind Band 2 und 3, wobei Band 2 für "Latitudes", die Breiten des Rechenortes, von 0° bis 40° gilt; Band 3 gilt für Latitudes von 39° bis 89°.
Dido segelt aktuell zwischen dem 28. und 29. Breitengrad, deshalb greifen wir zu Band 2.
Gemäß der vorhergehenden Liste suchen wir zunächst den Breitengrad unseres Rechenortes auf, den wir in unserem Rechenschema in Feld C-11 mit 29° notiert haben. In der HO wird die Breite des Rechenortes mit "LAT" bezeichnet und ist in der rechten oberen oder unteren Ecke jeden Blattes zu finden. Alleine für "LAT 29°" gibt es 6 Seiten, die sie hier finden.
Im Kopf- und im Fußbereich jeder der 6 Seiten ist der Wertebereich der Declination des beobachteten Gestirns mit entweder 0°-14 ° oder mit 15° bis 29° angegeben, außerdem der Vermerk "SAME" oder "CONTRARY",der uns auch schon bekannt ist.
In unserem Rechenblatt haben wir die Declination im Feld C-8 mit 20° 26,8' N und den SAME / CONTRARY-Vermerk in in Spalte D mit "SAME notiert". Wir suchen also das Blatt für DECLINATION(15° - 29°) SAME Name as Latitude auf. (Das ist nicht schwer, weil ich auf dem für unser Beispiel gültigen Blatt schon alle relevanten Informationen markiert habe).
Wie sie sehen, ist dieses Blatt geteilt, der obere Bereich gilt für "SAME", der untere für "CONTRARY"; um das richtige Blatt zu finden, muß man also sowohl auf den Fußbereich als auch den Kopfbereich achten.
Die Blätter enthalten 2 Spalten für den LHA.
Ganz links die LHA-Werte aufsteigend von 0° bis 116° (Die Werte von 107° bis 116° sind eingerückt.)
Ganz rechts stehen absteigend die LHA-Werte von 360° bis 244°.
Beim Aufsuchen der benötigten Werte haben wir noch eine kleine Hürde zu überwinden. Unsere Declination im Feld C-8 beträgt 20° 26,8' , wir haben aber nur eine Spalte für ganzgradige Declination, also 20° oder 21°. Hier wird NIEMALS GERUNDET, sondern immer genau der Gradwert aus unserem Rechenschema genommen. Eine Korrektur für die fehlenden Minuten folgt gleich !
Nun ist es einfach, wir entnehmen der Zeile für den LHA von 77° und der Declination von 20° die Werte für hc, d und Z und tragen in unser Rechenschema ein :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
F-7 hc 20° 32'
F-6 d 25'
F-12 Z 78°

Und jetzt kommt die Korrektur für die nicht berücksichtigten Minuten der Declination, wofür wir gerade den Wert "d" notiert haben :
Für diese Korrektur liegt der gedruckten HO249 eine Korrekturtafel bei, welcher der Korrekturwert entnommen werden kann: TABLE 5.- Correction to Tabulated Altitude for Minutes of Declination,
ich fand es aber immer einfacher, den Korrekturwert, nach folgender kleinen Formal zu berechnen :
Korrektur = d / 60 x Minuten der Declination in unserem Fall also : Korrektur = 25'/60x26,8 = 11' (Minutengenauigkeit reicht)
Diese 11 Minuten, egal ob errechnet oder aus der Hilfstafel gelesen, notieren wir im Rechenschema in
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
F-8 +d:60x(min von δ) 11'
und addieren diese 11 Minuten zu dem Wert hc aus Feld F-7. Das Ergebnis (20° 43') kommt ins Rechenschema in
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
F-9 hr 20° 43'


In dem Wert hr (für berechnete Höhe) haben wir den Winkel gefunden, den wir mit dem Sextanten messen würden, wenn wir uns genau am Rechenort befinden würden.

Zur Auswertung in der Seekarte brauchen wir nun noch die Peilung zu unserem beobachteten Gestirn (der Sonne); also - Peilkompass raus ? NEIN HALT; eine simple Kompasspeilung würde unseren Genauigkeitsanforderungen nicht entsprechen !
Aber wir haben ja unseren Wert "Z". Was wir damit machen, steht in der linken oberen und unteren Ecke unseres in der HO gewählten Blattes. (Nur damit keine Verwirrung entsteht: Zn ist die amerikanische Abkürzung für Azimut) Ich habe diese 4 knappen Formeln nochmals in unserem Rechenschema ganz unten rechts unter "Azimut" vermerkt, wobei das Azimut nichts anderes ist, als die gesuchte Peilung.
Welche der 4 Formeln zur Anwendung kommt, entscheidet sich daran ob Für unser Beispiel gilt : LAT = N und LHA < 180°. Das Azimut wird damit aus 360° - Z also 360° - 78° = 282° berechnet und ins Rechenschema eingetragen :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
F-13 Azimut 282°

8.) Die Auswertung der Messung mit dem Sextanten :
Die unkorrigierte Sextantenmessung hatten wir ganz zu Beginn bereits im Feld G6 - h'b notiert.
Leider ist die Sextantenmessung nicht frei von Fehlern; der gröbste resultiert daraus, daß wir nicht den Sonnenmittelpunkt sondern deren Unterrand gemessen haben. Weitere Fehler liegen in der Augenhöhe des Beobachters und in den verschiedenen Lichtbrechungen bei unterschiedlich hohem Sonnenstand. Alle Einflußgrößen sind im Nautischen Jahrbuch auf den "rosa Seiten" detailliert tabelliert.
Wir machen es uns einfach und gehen bei Messungen an Bord von Segelyachten von einer Augenhöhe von 2,5m aus. Damit schrumpft die gesamte Korrektur des Sextantenwinkels auf einen einzigen Wert, der dann nur noch von der gemessenen Gestirnshöhe abhängt. Diese Werte habe ich im Rechenschema vermerkt, sie lauten In unser Rechenschema kommt damit
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
G-7/8 Gesamtberichtigung +11'
Diese 11' werden zu dem Wert aus G-6 h'b = 20° 24' addiert und die wirkliche gemessene Höhe im Rechenschema gleich 2 x eingetragen :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
G-9 hb 20° 35'
F-10 beobachtete Höhe hb 20° 35'

9.) Das Intercept Wenn wir richtig gerechnet und vor allem richtig gemessen haben, haben wir nun 2 Werte für die Höhe des Gestirns zu genau unserem Meßzeitpunkt.
Subtrahieren wir nun die beobachtete Höhe hb von der errechneten Höhe hr so erhalten wir deren Differenz in Minuten, das Intercept, welches positive oder negative Werte haben kann. In unserem Fall lautet das Ergebnis + 8 ', was als letzte Eintragung in unser Rechenschema kommt :
FeldFeldbezeichnungeinzutragender Wert
F-11 Intercept + 8'
Damit haben wir unsere Berechnung bzw. Auswertung der Messung mit dem Sextanten abgeschlossen. Mit den Gelb hinterlegten Werten unseres Rechenschemas gehen wir jetzt in die Seekarte ( oder zeichnen uns selbst eine, siehe dazu im Bereich Seekarte die Zeichnung ganz unten.)

10.) Eintragen der Standlinie in die Seekarte
Den gegissten Ort brauchen wir eigentlich nicht. Zur Veranschaulichung können wir ihn aber mit seinen Koordinaten aus den Feldern C-10 ( 28° 36,8'N) und A-9 ( 59° 42,2'W) eintragen.
Wichtig ist der Rechenort aus den Feldern C-11 ( 29° N) und A-14 ( 59° 15' W), der in die Karte einzutragen ist.
An den Rechenort wird das Azimut entsprechend dem Wert in Feld F-13 mit dem Winkel von 282° angetragen und auch in die Gegenrichtung (102°) verlängert.
Auf dieser Azimutgeraden wird jetzt der Wert des Intercepts angetragen.

Dazu bedarf es noch einmal einer kleinen geistigen Turnübung :
Zunächst : Mit jeder Seemeile, die Dido vom Bildpunkt der Sonne weiter entfernt ist, wird der am Sextant abgelesene Winkel um eine Minute kleiner, umgekehrt bei jeder Seemeile näher um eine Minute größer.
Stünde Dido genau am Rechenort, so wären der errechnete und der gemessene Höhenwinkel gleich groß und das Intercept = 0. Unser Intercept beträgt aber +8' weil der für den Rechenort berechnete Höhenwinkel um 8' größer ist als der für den Schiffsort gemessene Sextantenwinkel. Ein um 8 Minuten kleinerer gemessener Höhenwinkel hb als der errechnete Höhenwinkel hr bedeutet aber, daß die Standlinie, auf welcher sich Dido befindet, um 8 Seemeilen weiter vom Bildpunkt weg befindet als der Rechenort.
Bei größerem beobachteten Winkel hb als dem für den Rechenort errechneten Winkel hr und damit negativem Intercept, wird der Abstand zum Bildpunkt entsprechend geringer.


Nach der vorstehenden Überlegung wird also auf dem Azimutstrahl die Distanz von 8 Seemeilen, ausgehend vom Rechenort aus, abgetragen und zwar wegen des + Vorzeichens des Interceptes entgegen dem Azimut d.h. in Richtung 102°.
In dem so auf dem Azimutstrahl gefundenen Punkt wird eine Senkrechte gezeichnet und diese Senkrechte ist unsere gesuchte Standlinie !
Dazu noch ein Nachtrag :
Wie jede Peilung ergibt auch die Peilung eines Gestirns nur eine Standlinie, keinen Standort !
Diese Standlinie kann genauso wie solche aus der terrestrischen Navigation versegelt werden und mit anderen Standlinien, auch terrestrisch gewonnenen, zu einem Standpunkt gekreuzt werden, weshalb es Sinn macht, Kurs und Fahrt beim Eintragen der Basiswerte mit zu notieren.
Aber was bedeutet jetzt eigentlich unsere so mühsam ermittelte Standlinie ?
Die Standlinie ist Teil jener Linie auf der Erdoberfläche, von der aus auf all ihren Punkten zum Meßzeitpunkt der gleiche Höhenwinkel gemessen würde. Diese Linie ist ein Kreis um den Bildpunkt herum. Weil dieser Kreis einen sehr großen Durchmesser hat ist es zulässig, deren kurzen Ausschnitt, der für uns bedeutsam ist, als Gerade anzusehen und senkrecht auf dem Azimut anzutrage.


11.) Zeichnerische Auswertung in der selbst gezeichneten Seekarte :