Die Seekarte
Von den einfachen Skizzen, die Seeleute für andere Seeleute anfertigten,
bis zur heutigen Seekarte war es ein weiter Weg. Entscheidende Voraussetzungen
waren
1.) die Entwicklung geeigneter Projektionsverfahren, die es erlauben,
die Kugeloberfläche der Erde auf planem Papier wiederzugeben und
2.) die Objekte, welche in die Karte einzutragen waren, mit größtmöglicher
Präzision zu vermessen.
Für die Vermessung gelten prinzipiell die gleichen Voraussetzungen
wie für jede Standortbestimmung. Auf das Prinzip soll deshalb hier
nicht erneut eingegangen werden. Natürlich erfolgen die Vermessungen
zu Zwecken der Kartografie mit höherem Aufwand als für Navigationszwecke,
soweit sie aber auf astronomischen Verfahren basierten (heute basieren
die Vermessungen auf GPS) gelten die auf diesen Seiten dargestellten
Grundlagen genauso.
Kartenprojektion
An die Projektion einer Karte werden unterschiedliche Anforderungen
gestellt, je nach Verwendungszweck. Anforderungen an eine Karte können
z.B. sein:
Flächentreue, d.h. gleichgroße Flächen in der Realität
sollen auch auf der Karte gleich groß sein.
Längentreue, d.h. der Karte entnommene Distanzen sollen sich
mit dem Maßstab direkt in die realen Entfernungen umrechnen lassen.
Winkeltreue, d.h. eine in die Karte eingetragene Verbindungslinie zwischen
2 Punkten soll an jedem Punkt unter dem richtigen Winkel im gewählten
Koordinatensystem verlaufen.
Diese letzte Anforderung ist für die Seeleute die Entscheidende,
nur unter der Bedingung der Winkeltreue kann eine ( auf der Erdoberfläche
zwangsläufig gebogen verlaufende ) Kurslinie als Gerade in die
Karte eingetragen werden, wobei der Kurswinkel im Koordinatensystem
der Karte an jedem Punkt einer eingezeichneten Kurslinie konstant bleibt.
Eine Projektion, die diesem Anspruch genügt, entwickelte im 16.Jahrhundert
der in Duisburg lebende Kartograph Gerhard Mercator, der 1569 die erste
Weltkarte in der nach ihm benannten Mercator-Projektion herausgab.
|
Nebenstehend das Prinzip der von Mercator entwickelten
Projektion:
Um die Erdkugel denkt man sich einen Zylinder, der die Erdkugel
am Äquator berührt. Die Breitenwinkel, die auf der Kugeloberfläche
einen gleichen Abstand von Grad zu Grad erzeugen, führt man
zu dem gedachten Zylinder weiter und trägt auf dem Zylinder
den entsprechenden Breitengrad ein; die Längengrade werden
einfach als senkrechte Gerade in der Berührungslinie des Zylinders
mit der Kugel, also senkrecht auf die Äquatorlinie, eingezeichnet.
Durch Abwickeln des so entstandenen Zylinders entsteht ein ebenes
und winkeltreues Koordinatensystem mit den Längen und Breitengraden.
Dieses ist in der Nähe des Äquators noch einigermaßen
Längen- und Flächentreu, in höheren Breiten aber
deutliche verzerrt; die Abstände der Breitengrade werden mit
zunehmender Breite immer größer; die Abständer der
Längengrade, die auf der Erdkugel mit zunehmender Breite immer
geringer werden, bleiben dagegen konstant.
Als Ergebnis erhalten wir eine Abbildung der Erdoberfläche,
in der Distanzen und Flächen mit zunehmender Breite immer größer
dargestellt werden. Da die Längen- und Breitenabstände
aber gleichermaßen vergrößert werden, erhalten
wir eine winkeltreue Darstellung, in der Kurse als gerade Linien
eingezeichnet werden können ! |
Die Seemeile
Die Seemeile ist definiert als die Länge einer Bogenminute des
Großkreises auf der Erdoberfläche.
Großkreise sind alle die Kreise, die einmal rund um den Erdball
führen und dabei den Erdmittelpunkt auch als Kreismittelpunkt haben.
Diese Bedingung erfüllen ALLE Längengrade, bei den Breitengraden
aber NUR der Äquator.
Die Distanz von Breitengrad zu Breitengrad beträgt also, unabhängig
von deren Distanz zum Äquator immer genau 60 Seemeilen.
Damit wird die Breitenteilung am rechten oder linken Kartenrand zu
unserem Längenmaßstab, an dem wir die mit dem Zirkel aus
der Karte entnommenen Distanzen in Seemeilen ablesen können. Eine
dort eingezeichnete Breitenminute entspricht immer genau der Distanz
von einer Seemeile.
Das Abmessen von Distanzen in Seemeilen soll muß - ausschließlich
an den seitlichen Kartenrändern - in etwa der Breite erfolgen,
auf der in der Karte die Distanz aufgenommen wurde, denn wir wissen
inzwischen, daß die Mercatorkarte keinen konstanten Maßstab
hat sondern daß dieser sich mit der Breite verändert. Dieser
Hinweis ist umso wichtiger, je weiter man vom Äquator entfernt
ist und je großräumiger die verwendete Karte ist.
Es gilt also, sich zu merken:
Distanzen in Seemeilen dürfen NUR auf der Skala
der Breitengrade an den seitlichen Rändern der
Seekarte abgemessen werden und
bei sehr weiträumigen Karten (Überseglern) und solchen, die
Gebiete weitab vom Äquator zeigen, muß die Distanz am seitlichen
Kartenrand in etwa der Breite entnommen werden, auf der auch die auszumessende
Längendistanz liegt.
Achtung: Das Abmessen von Längendistanzen auf der Teilung
der Längengrade, d.h.am oberen, bzw. unteren Kartenrand ist in
jedem Fall ein grober Fehler. Die Abstände von Längengrad
zu Längengrad sind nicht konstant sondern werden mit zunehmender
Breite immer geringer. Die ausgemessenen Entfernungen würden dadurch
in jedem Fall zu groß ausfallen. Der Fehler würde mit zunehmendem
Abstand vom Äquator immer größer.
Die selbstgemachte Seekarte
Das Verfahren der Mittelbreitenschräge
Wer hat schon Karten von der Mitte des Atlantiks an Bord ? Es wäre
ja ohnehin nur Wasser drauf !
Zur Auswertung einer astronomischen Beobachtung kann man sich seine
Seekarte auch selbst zeichnen !
Ausgehend davon, daß auf einer genügend kleinräumigen
Karte das Längenverhältnis von Längen- zu Breitenminute
als konstant angesehen werden kann, wird die eigene Karte wie folgt
konstruiert:
Die nachfolgende Skizze zeigt ein Kartenschema für das Seegebiet
zwischen
28°30´N bis 29°30´N und 59°00´bis 60°00´W.
Die der Konstruktion zu Grunde liegende mittlere Breite beträgt
29° 00´;
die Teilung für Breitenminuten und Mittelbreitenschräge erfolgt im Raster
von 2 Seemeilen bzw. Bogenminuten
In dieser Karte kann wie in jeder gekauften Seekarte navigiert werden.
Feste Punkte können darin eingetragen werden. Astronomisch gewonnene
Standlinien können darin grafisch ausgewertet werden. |